In dem im vorherigen Beitrag vorgestellten Bändchen "Annäherungen an das Dorf" gibt es auch einen Beitrag von Albert Ilien über das Dorf Hausen, in dem er in den 1970er Jahren nicht nur gelebt, sondern das er auch zum Thema seiner Dissertation gemacht und über das er zusammen mit Utz Jeggle ein Buch geschrieben hat (Ilien, Albert/Jeggle, Utz: Leben auf dem Dorf: zur Sozialgeschichte des Dorfes und zur Sozialpsychologie seiner Bewohner, Opladen, 1. Aufl. 1978). Über Hausen haben aber auch noch weitere publiziert, wie Wolfgang Kaschuba und Carola Kipp (Kaschuba, Wolfgang/Lipp, Carola: Dörfliches Überleben: zur Geschichte materieller und sozialer Reproduktion ländlicher Gesellschaft im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Tübingen 1982).
Hausen ist eigentlich Kiebingen, ein inzwischen eingemeindetes Dorf in der Nähe der Universitätsstadt Tübingen (den Prozess der Eingemeindung beschreibt Ilien übrigens sehr ausführlich).
Was liegt also näher, als einmal in der Wikipedia nachzusehen, was es dort über Kiebingen zu lesen gibt. Nun, eine ganz Menge: etwa dass Kiebingen ein Stadtteil von Rottenburg am Neckar ist, eine Geographie hat und auch eine Ausdehnung sowie Nachbarorte. Alles Standardeinträge wie auch der Hinweis auf eine eigene Bevölkerung.
Und es hat eine Geschichte, die mit einer ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 1204 beginnt bzw. noch weiter zurück reicht, gibt es Reihengräber aus dem 5. Jahrhundert. Zudem wurde dort 1342 ein Paulinerkloster gegründet, das erst 1748 aufgelöst und im 19. Jahrhundert abgebrochen wurde. Schließlich wurde es in den 1970 von Arbeitsgruppe "um Uzt Jeggle" systematisch untersucht, so dass Kiebingen "zu den am besten erforschten Dörfern Deutschlands, siehe Literatur" gehört.
Politik gibt es auch, beschränkt sich aber auf eine Partnerschaft mit einer französischen Stadt. Wirtschaft und Infrastruktur sind nach Rottenburg ausgelagert worden, immerhin gibt es seit 1903 ein eigenes Kraftwerk, das nicht nur in diesem, sondern noch in weiteren Artikeln (mit denselben Bildern) ausführlich vorgestellt wird.
Immerhin ist dann Kiebingen noch über die Neckarbahn an die große weite Welt angeschlossen und es verfügt über Bildung, nämlich in Form einer Grund- und Hauptschule.
So kurz alle diese Informationen gehalten sind, es gibt es eine lange Literaturliste inkl. der schon erwähnten Tübinger Schriften sowie eine Ortsgeschichte aus dem Jahre 2004. Bei den Einzelnachweisen wird noch einmal das Kraftwerk verlinkt.
Was lernen wir daraus? Kiebingen ist nach Ausweis dieses Artikels eines der am "besten erforschten" Dörfer Deutschlands. Nur, was da erforscht wurde, darüber erfährt der Leser gar nichts, überhaupt nichts. Er wird mit knappen Banalitäten abgespeist. Liest man sich den beißenden Kommentar von Albert Ilien in dem erwähnten Sammelband über "tote Winkel" (S. 105), so passt allerdings wieder einiges. Dass, was kritische Sozialforschung da vor 40 Jahren über das Dorf heraus gefunden hat, darf auf keinen Fall in einem öffentlich zugänglichen Artikel in der Wikipedia stehen. Der Eintrag zeigt ein gesäubertes, nicht einmal glattes, sondern fast unkenntliches Bild des Dorfes.
Das Zitat Iliens lautet übrigens:
"Das Problem solcher toter Winkel ist ja nicht einfach, dass sie existieren, sondern, dass man tut, als ob sie nicht existieren. Sie zu benennen kann dann von denen als Kränkung ihres Selbst- (und/oder Realitäts-) Bewusstseins empfunden werden." (Annäherungen an das Dorf, S. 105)
Hausen ist eigentlich Kiebingen, ein inzwischen eingemeindetes Dorf in der Nähe der Universitätsstadt Tübingen (den Prozess der Eingemeindung beschreibt Ilien übrigens sehr ausführlich).
Was liegt also näher, als einmal in der Wikipedia nachzusehen, was es dort über Kiebingen zu lesen gibt. Nun, eine ganz Menge: etwa dass Kiebingen ein Stadtteil von Rottenburg am Neckar ist, eine Geographie hat und auch eine Ausdehnung sowie Nachbarorte. Alles Standardeinträge wie auch der Hinweis auf eine eigene Bevölkerung.
Und es hat eine Geschichte, die mit einer ersten urkundlichen Erwähnung im Jahre 1204 beginnt bzw. noch weiter zurück reicht, gibt es Reihengräber aus dem 5. Jahrhundert. Zudem wurde dort 1342 ein Paulinerkloster gegründet, das erst 1748 aufgelöst und im 19. Jahrhundert abgebrochen wurde. Schließlich wurde es in den 1970 von Arbeitsgruppe "um Uzt Jeggle" systematisch untersucht, so dass Kiebingen "zu den am besten erforschten Dörfern Deutschlands, siehe Literatur" gehört.
Politik gibt es auch, beschränkt sich aber auf eine Partnerschaft mit einer französischen Stadt. Wirtschaft und Infrastruktur sind nach Rottenburg ausgelagert worden, immerhin gibt es seit 1903 ein eigenes Kraftwerk, das nicht nur in diesem, sondern noch in weiteren Artikeln (mit denselben Bildern) ausführlich vorgestellt wird.
Immerhin ist dann Kiebingen noch über die Neckarbahn an die große weite Welt angeschlossen und es verfügt über Bildung, nämlich in Form einer Grund- und Hauptschule.
So kurz alle diese Informationen gehalten sind, es gibt es eine lange Literaturliste inkl. der schon erwähnten Tübinger Schriften sowie eine Ortsgeschichte aus dem Jahre 2004. Bei den Einzelnachweisen wird noch einmal das Kraftwerk verlinkt.
Was lernen wir daraus? Kiebingen ist nach Ausweis dieses Artikels eines der am "besten erforschten" Dörfer Deutschlands. Nur, was da erforscht wurde, darüber erfährt der Leser gar nichts, überhaupt nichts. Er wird mit knappen Banalitäten abgespeist. Liest man sich den beißenden Kommentar von Albert Ilien in dem erwähnten Sammelband über "tote Winkel" (S. 105), so passt allerdings wieder einiges. Dass, was kritische Sozialforschung da vor 40 Jahren über das Dorf heraus gefunden hat, darf auf keinen Fall in einem öffentlich zugänglichen Artikel in der Wikipedia stehen. Der Eintrag zeigt ein gesäubertes, nicht einmal glattes, sondern fast unkenntliches Bild des Dorfes.
Das Zitat Iliens lautet übrigens:
"Das Problem solcher toter Winkel ist ja nicht einfach, dass sie existieren, sondern, dass man tut, als ob sie nicht existieren. Sie zu benennen kann dann von denen als Kränkung ihres Selbst- (und/oder Realitäts-) Bewusstseins empfunden werden." (Annäherungen an das Dorf, S. 105)
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