Samstag, 22. August 2020

Vom Wert des Ackerlandes

 Die aktuellen Debatten zwischen Nabu und Landwirtschaft sind hochinteressant, verweisen sie doch auf ein zentrales Problem unserer aktuellen Debatten, sie gehen an einem zentralen Aspekt vorbei: dem exzessiven Verbrauch von Ackerflächen für Siedlungen und Verkehr! Derzeit sind es etwa 56 ha täglich (!), die in diesem Land für Siedlung und Verkehr verloren gehen; zwischen 1992 und 2017 waren das insgesamt 1,29 Millionen ha!

Das Umweltbundesamt schreibt dazu: 

„Insgesamt sind die Inanspruchnahme immer neuer Flächen und die Zerstörung von Böden auf die Dauer nicht vertretbar und sollten beendet werden. Angesichts global begrenzter Landwirtschaftsflächen und fruchtbarer Böden sowie der wachsenden Weltbevölkerung ist der anhaltende Flächenverbrauch mit all seinen negativen Folgen unverantwortlich. Dies gilt auch und besonders mit Rücksicht auf künftige Generationen.“ (https://www.umweltbundesamt.de/daten/flaeche-boden-land-oekosysteme/flaeche/siedlungs-verkehrsflaeche#anhaltender-flachenverbrauch-fur-siedlungs-und-verkehrszwecke-)

Diese Zerstörung von Natur in großem Stil findet auch in Schaumburg statt. In Nienstädt soll eine Umgehungsstraße gebaut werden, in Bad Nenndorf ein großes Werk für VW, fast jede Gemeinde ist „stolz“ auf ihre Neubaugebiete, immer mehr Eigenheimbesitzer pflastern ihre Grundstücke zu oder legen „Gärten des Grauens“ an. Nahezu grotesk mutet es dann an, wenn - wie gerade in Bad Nenndorf - davon die Rede ist, „Ausgleichsflächen“ zu schaffen: Woher sollen die denn kommen? Allerdings gibt es nicht nur das Negieren dieses enormen Flächenverbrauchs, sondern Ackerland wird als weniger „wertvoll“ angesehen als naturnahe Flächen. Wenn wir also genug „naturnahe“ Flächen ausweisen, so die Annahme, sei das Problem gelöst. Diese Flächen sind dann logischerweise Ackerland ...

Was bei der Zerstörung von Ackerland gern vergessen wird: Wenn wir ökologisch angebaute Nahrungsmittel haben wollen, dann brauchen wir das gute Ackerland! Aber genau diese Flächen werden zugunsten von Neubaugebieten, Straßen und Gewerbegebieten zerstört und zwar unwiederbringlich. Während die vermeintlich „wertvollen“ Flächen noch einen gewissen Schutz erfahren, gilt das für Ackerland nicht. 

Für die Menschen vor 200 Jahren, die immer mit katastrophalen Hungersnöten rechnen mussten, war es klar, dass Ackerland schützenswert war, weil es die Ernährung der Menschen (zusammen mit der Nutzung von Gemeinheiten und Weiden) sicherte. Niemand wäre auf die Idee gekommen, auf den besten Böden der jeweiligen Gemarkung Häuser zu bauen. Heute finden wir ein solches Verhalten normal. Das kann man gut in einigen Gemeinden Schaumburgs sehen. In Altenhagen (Hagenburg) beispielsweise sind große Teile des ursprünglichen Ackerlandes mittlerweile ein riesiges Gebiet mit Einfamilienhäusern geworden.  

Das Ziel muss dagegen sein, den Flächenverbrauch massiv weiter zu senken, anstatt ihn zu erhöhen und dabei nicht nur auf naturnahe Flächen zu sehen. Das setzt neue Ideen und vor allem neue Verhaltensweisen voraus, an denen es aber offenkundig auch in Schaumburg mangelt. So würde eine Wiederinbetriebnahme der Eisenbahn zwischen Rinteln und Stadthagen keine Flächen verbrauchen, eine Umgehungsstraße aber sehr wohl. Erstaunlich ist an den Nienstädter Verhältnissen, dass im Unterschied zum Auetal offenbar der Widerstand nicht breiter ausfällt gegen eine großflächige Zerstörung von Landschaft und Ackerland.

Ohne ein strukturelles Umdenken in Sachen Flächenverbrauch und eine Neubewertung von Ackerland werden die jetzt geführten Auseinandersetzungen wenig an den entscheidenden Problemen ändern.