Sonntag, 3. April 2022

Der Wald, das Land und das Dorf

Durch einen Artikel in der Berliner Morgenpost bin ich heute auf Tony Rinaudo gestoßen.(fn) Tony Rinaudo hat nicht nur eine sehr effektive Methode der Aufforstung gefunden, sondern weist auch auf die enorme Wirkung von Wald bzw. Bäumen für die Ernteerträge bei hohen Temperaturen hin. Mich hat das sehr nachdenklich gemacht, vor allem, weil ich immer noch im Hinterkopf die schaumburgische Forstordnungen und andere Anweisungen zum Umgang mit dem Wald habe. Um 1600 war der Wald eine nicht nur sehr wichtige Ressource für das menschliche Überleben, er war auch eine vielfältige Ressource, da er nicht nur Holz bereitstellte (das viel intensiver als heute genutzt wurde), sondern auch für die Landwirtschaft wichtig war, etwa bei der Hude. 

Das führt mich weiter zu der Frage, ob unsere Umweltpolitik nicht zu sehr aus einem Blickwinkel des Überflusses betrieben wird. Wir wollen zwar gern Vielfalt erhalten bzw. wiederherstellen, denken dabei aber nicht an unsere Versorgung mit Nahrungsmitteln. Wir haben uns in einer historisch und weltweit gesehen einmaligen Situation befunden. Lebensmittel gab und gibt es noch immer genug. Die Frage nach ihrer Erzeugung und ihrer Herkunft spielt zwar in den Debatten eine Rolle, aber dass Lebensmittel knapp (und damit zumindest sehr teuer) werden könnten, darüber wurde kaum diskutiert.

Die aktuellen Entwicklungen zeigen aber, dass wir uns mehr Gedanken darüber machen sollten, wie wir unsere Versorgung mit Lebensmitteln sichern können. Die immer noch tief verwurzelte Vorstellung, dass Ackerland problematisch sei (da belastet) und nur naturnahe Flächen gut seien, findet sich bis in die jüngsten Leserbriefe etwa der Schaumburger Nachrichten. Der Wald bzw. Bäume spielen in diesen Überlegungen dagegen gar keine Rolle. Wald ist Freizeit und Holzlieferant, mehr nicht. Für den Schutz unserer Natur und unserer Existenz, so scheinen die meisten zu glauben, brauchen wir kein Ackerland und der Wald ist eher ein wenig Zierde, trotz des aktuell katastrophalen Zustand des Waldes. Bäume werden ohne große Bedenken weggeräumt, wenn sie im Wege stehen. 

Von unseren Vorfahren trennt uns in diesen Punkten ein tiefer Graben. Für sie waren Ackerland und Wald überlebensnotwendig. Sie mussten mit sehr begrenzten Mitteln umhegt und umsorgt werden, damit eine vier- bis fünfmal kleinere Bevölkerung einigermaßen über die Runden kommen konnte. Sie lebten allerdings auch in einer anderen Landschaft, die nicht ansatzweise so stark bebaut war wie heute, die vielfältiger war mit starkem Baum- und Buschbewuchs, kleineren Feldern und großen Wäldern. 

Wir stehen vor riesigen Herausforderungen und es ist deshalb notwendig, unsere Landschaft anders zu denken und anders mit ihr umzugehen. Äcker sind keine Restgröße, mit der wir machen können was wir wollen, sei es sie bebauen, zu asphaltieren oder in vermeintlich naturnahe Flächen zurück zu versetzen. Bäume und Wälder sind mehr als Holzlieferanten und Freizeitorte. Beide sind überlebensnotwendig. 

Erste Informationen zu Rinaudo finden sich hier: https://www.geo.de/natur/nachhaltigkeit/20772-rtkl-tony-rinaudo-dieser-mann-verwandelt-wueste-bluehende-landschaften